Archiv der Kategorie: Terra incognita

Buy local! – Aber wie? (Teil 1)

Achtung, das wird ein langer Text. – Ich freue mich, wenn du ihn trotzdem (oder gerade deswegen?) liest.

Das Internet ist eine tolle Erfindung. Trotz Datenklau, Trollen und Fake-News überwiegen für mich die Vorteile:

Es ist so einfach geworden über seinen eigenen Tellerrand zu blicken. Der Austausch über Stadt- und Ländergrenzen hinweg ist so selbstverständlich, wie der Austausch über den Gartenzaun hinweg. Man lernt andere Sichtweisen und Meinungen kennen und natürlich auch andere Menschen.

Natürlich führt das auch zu einem anderen Kaufverhalten: Man kann auf das Warenangebot der (nahezu) ganzen Welt zurückgreifen. Das gilt auch für unsere Hobbies:
Projektbeutel in Indien bestellen? Kein Thema!
Es gibt da einen neuen Indie-Dyer in Kanada? Ein paar Klicks und schon ist traumhaftes Garn zu dir auf dem Weg.

Nur: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Das weißt du sicherlich.
Mulesing in Australien und Neuseeland, Pakete schleppen zu Hungerlöhnen und hohe CO2-Emissionen sind nur ein paar gängige Stichworte.

Wie bei so vielem stellt sich mir die Frage hier nach der Ausgewogenheit. Ich verwende “internationale Wolle” und möchte auch kleine Unternehmen unterstützen, egal wo sie herkommen.
Aber warum immer so weit schauen? Es sollte doch auch vor der eigenen Haustür Möglichkeiten geben.

Die gibt es auch, nur sind sie nicht immer so offensichtlich. Wenn ich nun vor Ort, bzw. lokal kaufen möchte, gilt es zunächst zu definieren, was das für dich überhaupt ist. Ich würde beispielsweise durchaus einen Anbieter aus den Niederlanden als lokal ansehen, einfach weil ich in relativer Grenznähe wohne.

Da ich nicht wissen kann, wo du herkommst, beschränke ich mir vorerst auf deutsche Anbieter. (Vermutlich weite ich das Ganze zu einem späteren Zeitpunkt aus.)

Dann gibt es weitere Möglichkeiten, lokale Anbieter zu definieren:

  • Es wird lokal gearbeitet, also z.B. gefärbt.
  • Es wird lokal hergestelltes Garn verwendet, also etwa importierte Wolle in einer Spinnerei in der Nähe verarbeitet. Das beinhaltet natürlich auch diverse große Hersteller von Industriegarnen.
  • Das Rohmaterial stammt von heimischen Tieren.
  • Kombinationen der o.g. Möglichkeiten.

Im ersten Schritt möchte ich auf ein vielleicht eher kontroverses Thema eingehen: Garne von heimischen Tieren, im speziellen Schafen. (Kontrovers, weil die Wolle von deutschen Schafen/ Schafrassen oft als zu kratzig empfunden wird. – Näheres weiter unten.)

Also:
Wie kann ich also auch lokale Anbieter unterstützen?
Gibt es hier überhaupt Hersteller vor Ort?

Nun, zunächst einmal: Lokale Hersteller sind in Deutschland nicht so leicht zu finden. Im Gegensatz zu Großbritannien, die weltweit die meisten Schafrassen haben, ist Deutschland in dem Punkt mehr oder weniger ein Entwicklungsland. Natürlich gibt es lokale Rassen. Bis in die 1950er Jahre wurden Schafe hierzulande auch sehr stark auf ihre Wolleigenschaften gezüchtet. (vgl. Wikipedia “Hausschaf“), danach wurde die Schafwolle durch Baumwolle und moderne (Kunst-)Fasern zurückgedrängt.

Heute werden Schafe hauptsächlich als Landschaftspfleger eingesetzt. Berühmt ist dafür beispielsweise die Heidschnucke, die verhindert, dass die hiesigen Heidelandschaften verwalden und damit ein Ökosystem vernichtet wird.

In einem alten Zeitungsartikel der Westfälischen Nachrichten, den ich leider nicht mehr wiederfinde, beklagte sich ein Schäfer darüber, dass sich die Haltung kaum noch lohne. So eine Herde macht eben viel Arbeit, aber die Vermarktung liefe schleppend. Scheren sei oft ein notwendiges Übel, Geld für Wolle erhalte man dafür so gut wie keins. Die Wolle wird daher oft kompostiert bzw. als Dünger untergegraben.
(Für unseren Garten habe ich übrigens interessehalber letztens Dünger mit Schafwolle von einem namhaften Düngerhersteller gekauft.)
Ist es da nicht also an der Zeit, sich vor der eigenen Haustür umzuschauen? Man muss ja nicht vollkommen auf Lokales umsteigen – dafür gibt es in der Welt einfach auch zu viele andere schöne Garne, aber vielleicht nicht alles zu importieren, wäre doch was, finde ich.

Wenn man als Laie an Schafwolle denkt (sofern ein Laie das überhaupt tut), kommen einem wahrscheinlich 2 Dinge in den Sinn:

  1. Kratziges, hartes, fast untragbares Zeug das man nur anzieht, wenns nix anderes gibt – also nach Möglichkeit gar nicht.
  2. Merinowolle.

Klar, gibt es heute immer noch die kratzige, harte Wolle. In erster Linie ist Wolle nunmal dazu da, das Schaf vor Wettereinflüssen zu schützen. Auch wenn die Durschschnittstemperatur dank Klimawandel auch hier weiter ansteigt, kann es doch in einem Großteil des Jahres ungemütlich werden. Also bildet das Schaf eben entsprechende Wolle: Unempfindlich und wärmend.

Das mündet dann eben in eine durchschnittlich höhere Micron-Zahl. Schaut man sich die bekanntesten Schafrassen z.B. hier an, so finden sich unter den deutschen Rassen kaum welche mit einer kleinen Micron-Zahl, also weicher Wolle.

Kommt das Merino-Schaf mit einem Wert von 18-24 Micron (fein) daher, finden sich unter den Rassen aus dem deutschsprachigen Raum nur diese Rassen mit einer Wertung von “relativ fein”:

  • Coburger Fuchsschaf (26-33 Micron)
  • Leineschaf (25-34 Micron)
  • Ostfriesisches Milchschaf (25-33 Micron)
  • Schwarzköpfiges Fleischschaf (27-32 Micron)

Quelle: Purewool

Die Woll-Feinheit der hiesigen Rassen beginnt also üblicherweise knapp darüber, wo die des Merino endet.

Also kann man hier kein kuschelweiches, schmusiges Garn erwarten.

Aber: Untragbar ist es ebenfalls nicht und meistens auch von einem “Stacheldraht-Gefühl” weit entfernt.

Selbstverständlich gibt es immer Menschen, die rauhere Fasern nicht vertragen. Glaub mir, ich kann ein Lied davon singen. Ich habe 2009 angefangen zu stricken und so ca. 2010/2011 angefangen mich selbst zu desensibilisieren. Denn bis dahin konnte ich nichtmal das schmusigste Merinogarn verstricken oder gar anziehen. Einzelheiten zu dem, was da mit meiner Haut passiert ist, erspare ich dir lieber.
Nach und nach habe ich mich dann gesteigert. Immer mal wieder ausprobiert und testweise verstrickt. Heute trage ich beispielsweise Garne wie Holst Supersoft auf der Haut.

Wenn du also mutig bist, gehe gern mit mir auf eine kleine Reise durch die deutschsprachige Woll-Welt.
Dabei entdecke ich selbst auch eine Menge Neues.

Geplant habe ich bisher diese Themen in jeweils einen Beitrag zu verwandeln:

  1. Lokale Schafrassen – lokale Schäfereien
  2. Rassen aus der ganzen Welt – lokale Schäfereien
  3. Andere Fasern tierischen Ursprungs lokal beziehen
  4. Über den Tellerrand – wie sieht’s bei unseren Nachbarn aus?

Wenn du Quellen kennst (z.B. Schäfer*innen, Online-Shops) oder Informationen zu diesem Thema hast (z.B. weiterführende Links, Literaturhinweise), melde dich gern bei mir.
Vielleicht hältst du auch Schafe oder andere Tiere, die Fasern für Garne produzieren. Daran habe ich ebenfalls Interesse.
Du kannst mich hier erreichen:

  • E-Mail: das_baeumchen@gmx.net
  • Ravelry: yggdrasil82
  • Instagram: yggdrasil82

Ein Tag im Museum/ One day at the museum

Wir haben im Victoria & Albert Museum (kurz: V&A) fast einen ganzen Tag verbracht. Ich hatte von dem Museum gehört, hatte aber keine wirkliche Vorstellung davon. Nur eins war klar: Sie hatten eine Ausstellung über die Geschichte der Unterwäsche – da wollte ich rein! Was soll ich sagen? Es hat sich gelohnt! Die ältesten Exponate zeigten das “untendrunter” von 1700. Von da aus ging es bis in die Moderne – von Funktionswäsche über Nacht- und Reizwäsche bishin zu Fetischkleidung. Alles war vertreten.

Das Museum an sich ist kostenfrei und ich kann es nur empfehlen. Wenn ihr Interesse an Kunst, Möbeldesign, Kleidung und Stoffen habt, schaut es euch an! Wir haben uns nicht alles ansehen können und beim nächsten London-Besuch muss ich dort auf jeden Fall noch mal rein.

Der Innenhof ist auch toll. Wir haben uns Sandwiches mitgebracht und dort zwischen Familien mit spielenden Kindern Mittag gegessen. Es gibt dort aber auch ein Café, dass einladend aussah.

Leider war das fotografieren in der Sonderausstellung nicht erlaubt, deswegen zeige ich euch ein paar zusammengestellte Handyfotos aus dem Museum.

We spent nearly a whole day at the Victoria & Albert Museum (V&A). I heard of it before but couldn’t really imagine what this museum is about but I wanted to visit a temporary exhibition: “A brief history of underwear”. It was worth a visit. Starting with what women were wearing at 1700 and then going through the centuries with all the changes, developments, fashion and of course health risks (just giving you one word: corset) and ending with modern fibres, nightwear, lingerie and also fetish. 

Not only this temporary exhibition but also the whole museum is stunning. It’s for free (which is for me as a German still one of the miracles of British museums) and you could spend hours and hours discovering art, design of furniture and fashion, clothing and fabrics. If you have the slightest interest in one of these things – visit this museum! Period! 🙂

We loved the patio in the middle of the museum too. We brought sandwiches and picnicked there between families and visitors. You’ll find there a Café too if you don’t want to bring your own food.

Unfortunately it wasn’t allowed to take photos in the temporary exhibition so I’m showing you some photos from the rest of the museum instead:

2016-10-223

Nur ein bisschen “Fangirling”/ Just a bit of fangirling

Gut, so schlimm war es nicht, aber ich schaue insbesondere zwei Serien sehr gerne und die spielen beide (häufig) in London. Dementsprechend war mein Mann so lieb, mich zu einigen Drehorten zu begleiten. Einer der Drehorte war ganz in der Nähe unseres Hotels (2 Querstraßen weiter) und so haben wir einen schönen Abendspaziergang dort hin gemacht. Die anderen Drehorte haben wir dann per U-Bahn (= Tube) erreicht.

Na, errätst du um welche beiden Serien es sich handelt? 🙂

Okay, I wasn’t behaving that crazy but I love watching esp. two TV-Shows that are set (often) in London. So my husband agreed to visit some of the film locations with me. One of them was near our hotel so we strolled over there on the first evening. We reached the other places via Tube.

So can you guess which shows I love? 🙂

2016-10-221

London Tag 2 – Ich liebe Greenwich / London Day 2 – I love Greenwich

Ich war in den letzten Wochen leider krank. Jedes Mal, wenn ich gedacht habe, dass es wieder bergauf geht, kam wieder etwas dazwischen. Heute habe ich ein bisschen Zeit und fühle mich soweit fit auch mal wieder was zu schreiben. Hier kommen also ein paar Fotos von den übrigen 3 Tagen in London:

During the last weeks I was unfortunately sick several times plus every time I felt better something else was getting in my way and I had no time or energy to write. Today I am having a bit of me-time and that’s why you’re finally getting photos of the other 3 days in London:

Wir haben einen Tag in Greenwich und Umgebung verbracht, sind bis zum Observatorium hochgestiegen und haben einfach nur den Tag und das Wetter genossen. Gefahren sind wir mit einer kleinen Schifffahrtsgesellschaft, die einen Kapitän mit einem SEHR britischem Humor an Bord hatte. – Also genau mein Ding. Er hat allen viel erklärt, auch wie es früher entlang der Themse war und das die Gentrifizierung stark voranschreitet. Wenn ihr also mal nach Greenwich herausfahrt: Nehmt keinen der großen Touristenschiffe, sondern lieber eines der kleinen Boote. Die sind viel persönlicher und gemütlicher!
Zurück ging es dann zu Fuß unter der Themse hindurch (!) und dann mit dem Zug über die Isle of Dog wieder in die Stadt.

We spent a day in Greenwich, walked up to the observatory and enjoyed the weather. We went there by boat and took a boat from a small company. It was the right decision. Our Captain had a VERY British humour (so that was right up my alley). He explained a lot of things: About the history and what’s happening now with all the gentrification. If you’re planning to go to Greenwich by boat: Please don’t take one of these large boats but one of the smaller, more lovely ones.
We went back through a tunnel under the Thames and then we took the train from the Isle of Dogs back to the City Centre.

2016-10-22

Lagerkoller/ Cabin fever

Bei uns ist nach der ganzen Feierei (endlich) wieder Ruhe eingekehrt. Dieses Jahr war sehr stressig für uns, wie ihr sicherlich mitbekommen habt.

This year was very stressful and I was very happy when all the appointments, invitations and deadlines were over. 

Erst haben uns einige Handwerker hängen lassen, dann musste der Umzug hoppla hop gehen, dann “mal eben” das Haus soweit fertig machen, dass wir Besuch reinlassen konnten (was meinen Mann viele Nachtschichten und mich viel Stress und schlaflose Nächte gekostet hat), dann haben wir eine Hochzeitsfeier und danach eine Einweihungsparty mit knapp 80 Gästen auf die Beine gestellt und zwischendurch und danach sind wir auf etlichen Geburtstags- und Hochzeitsfeiern eingeladen gewesen.

We had so many things to manage: All this confusion with our house (e.g. craftsmen not doing what they were supposed to) moving house our wedding party and the housewarming party with appr. 80 guests. And there were a lot of wedding and birthday invitations.

Das allermeiste davon war positiver Stress. Wir haben viele nette Menschen gesehen und kennengelernt, Atmosphäre und Essen waren toll und es waren viele schöne Tage und Abende. Nichtsdestotrotz haben wir bis zum August keine Zeit gehabt um in Ruhe anzukommen und einfach mal Zeit für uns zu haben.

So most of it was positive stress. We went to people we love and had so many great parties. What got lost was having time only for us. Finding some time to rest and just take a deep breath from all that happened recently.

Das hat sich bei mir direkt gerächt. Kaum war ein bisschen Ruhe und normales Leben in Sicht, hat mich ein fieser Magen-Darm-Virus überfallen und dazu kam noch, dass ich unglaubliche Knieschmerzen bekam und kaum noch laufen konnte.

So all of this took it’s toll. When there finally was some time to rest I got ill. First my knees started to ache like hell and then I caught a bad stomach bug.

Der Virus lies sich vertreiben und dank Schonung wurde das Knie auch wieder besser. (Leider ist es noch nicht komplett weg und die Ärzte tun aktuell nicht, als mich fleißig zum  nächsten Arzt zu überweisen *grrrrrrrrrrrrr*)

I took a break, went on sick leave and was able to recover. My knees are still not perfectly fine but I feel much better.

Langer Rede kurzer Sinn:

Long story short:

Ich musste raus! Ich konnte glücklicherweise Überstundenfrei nehmen und mein Mann durfte seinen Urlaub verlegen. Mein Vater hat sich netterweise um unsere Schweinchen gekümmert und unsere Nachbarn haben die Mülltonnen vor die Tür gestellt.Kurzentschlossen sind wir für 4 Tage nach London geflogen!

I had to get our of here! Fortunately I had collected enough overtime and my husband could take some holidays. We arranged everything from who would take care of our guinea pigs to who would put the trash bins out. Then we flew to London!

Wir sind dieses Mal nach Stanstad geflogen und dann mit dem Express-Zug nach zur Liverpool Street gefahren – was ich nur empfehlen kann.

This time we flew Stanstead and took the Express train to Liverpool Street. I really can recommend it. 

Wir konnten noch nicht in unser Hotelzimmer und haben in der Gegend um den Bahnhof ein wenig die Zeit überbrückt. Ganz in der Nähe sind die Spitalfield Markets, die wirklich schön sind. – Ein bisschen sehr hipster aber nett und relativ ruhig.

We had to wait some hours before we could go to our hotel so we strolled around near the train station. WE went to the Spitalfield Markets which I recommend. It’s a bit of a hipster-headquarter but nice and quiet.

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Kensington Gardens – Ich genieße die Aussicht.

Kensington Gardens – Enjoying the view.

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Diese Reise sollte übrigens irgendwie im Zeichen meiner beiden Lieblingsserien stehen. Doch davon später mehr.

This trip seemed to be characterized by two of my favourite TV-Shows but I’ll tell you more details later.

Urlaubsimpressionen – Teil 8: Great expectations? – Into the Lighthouse!

So schnell wie zulässig möglich verließen wir Newcastle Richtung Norden. Wir wollten in Berwick übernachten und vorher die Gegend zwischen Newcastle und der schottischen Grenze erkunden. Viel haben wir nicht erwartet, auf dem Plan stand nur eine einzige Attraktion, aber davon gleich mehr.

Je weiter man Richtung Norden kommt, desto mehr verändert sich die Landschaft. Im Süden war alles – ich nenne es mal “domestizierter”. Selten haben wir brachliegendes Land oder gar urwüchsige Natur gesehen, dafür jede Menge saftig grüne Weiden, Felder und in den Städten und Dörfern natürlich auch liebevoll gepflegte Gärten und Parkanlagen. Im Lake District haben wir dann das erste Mal so richtig Natur gesehen. Selbstverständlich gibt es dort auch Unmengen von Weiden mit unzähligen Schafen darauf (oder seltener auch mal Kühen)  aber eben auch schroffe Berghänge und Wälder mit Mooren. Zwischen Newcastle und der schottischen Grenze nun war das Gras längst nicht mehr so grün und der für diese Gegend berühmt-berüchtigte Stechginster (“Gorse (bush)”) ist immer häufiger zu sehen. Die ganze Gegend wirkte irgendwie rauer aber auch natürlicher. Und sie hat uns besser gefallen als der “liebliche” Süden.

Ich hatte in der Gruppe für britische Stricker(innen) auf ravelry einen Tipp bekommen, der mein bibliophiles Herz höher schlagen lies: In Alnwick gibt es einen der größten 2nd Hand-Buchläden in Großbritannien! Natürlich mussten wir da hin. Ich hatte mir auch brav die auf der Homepage angegebene Adresse aufgeschrieben und bei unserem Start in Newcastle in unser Navi eingetippt. Irgendwie kannte das Teil aber die Straße nicht, nur eine sehr ähnlich klingende… Naja, wird schon passen. Und ausgeschildert ist es bestimmt auch.

Einige Stunden voll mit frustrierender Herumgondelei hatten wir uns dann endgültig verfranst und schon gar kein Nerv mehr auf Bücher. Wir sind dann irgendwann einfach nur noch geradeaus gefahren und landeten direkt an der Steilküste. War das schön dort! Das Licht! Die Wolken! Der Wind! – Okay, wir mussten uns die Aussicht mit mehreren tausend Möwen teilen, aber die gehören einfach mit zum Meer, oder? Da die Brutkolonie nah genug zum Fotografieren war und weit genug weg um nicht von den Hinterlassenschaften der Möwen getroffen zu werden war alles super. Wir machten einen kleinen Spaziergang und genossen die Landschaft.

Mit wesentlich besserer Laune starteten wir dann einen zweiten Versuch. Dieses Mal versuchte ich mein Glück über die Sehenswürdigkeiten-Suche im Navi und was soll ich sagen? Die erste Attraktion, die mir angezeigt wurde, war der Buchladen! Ohne weitere Verzögerungen oder Probleme fanden wir die Adresse, quetschten den Corsa in die letzte freie Parklücke und dann gings los.

Leider wurde das Gebäude renoviert und wir konnten den Haupteingang nicht benutzen, aber der Ersatz-Eingang führte in die Kinderbuchabteilung, was auch in Ordnung war. Der Laden befindet sich in einem alten, viktorianischen Bahnhofsgebäude und ist einfach nur der Wahnsinn. Sollte es euch in diese Gegend verschlagen, (was ich nur empfehlen kann) und solltet ihr Bücher mögen: Fahrt hin, durchstöbert die Regale, schaut euch die Modelleisenbahn an, die über euren Köpfen fährt, wundert euch, über welche Themen es Bücher gibt (z. B. eins über die Regimentsmaskottchen der britischen Armee) und esst ein leckeres Stück Karottenkuchen mit supersüßem Frosting und trinkt dazu entweder einen Kaffee/ Cappucino/… oder eine Rosenlimonade. Und natürlich: Schaut euch das grandiose Gemälde an, ihr könnt es gar nicht übersehen wenn ihr es schafft eure Blicke von den Regalen zu lösen und ihr ein wenig nach oben schaut. 🙂

Selbstverständlich habe ich einige Bücher dort erworben (aber leider noch nicht angefangen zu lesen), sowie eine Tasse, die ich mir vorher schon über deren Homepage angeschaut hatte.

Es war etwas schwer dort wieder wegzufahren, aber irgendwann mussten wir ja unser Domizil beziehen. Außerdem stand noch Alnwick Castle auf unserer Liste für diesen Tag. Dort wurde wohl die erste Flugübung aus Harry Potter gedreht. 3,50 GBP + 30 GBP Eintritt empfanden wir dann aber doch als zu viel und sind so lieber weitergefahren. Da wir nun mehr Zeit als gedacht hatten, haben wir uns einfach ein wenig treiben lassen, sind ohne Navi, nur mit einer groben Übersichtskarte durch die Gegend gefahren.

Gelandet sind wir schließlich in Seahouses. Eine kleine Stadt, die voll und ganz auf Tourismus ausgerichtet ist. Von dort aus werden Bootstouren zu den Farne Islands organisiert, auf denen man große Brutkolonien verschiedenster Seevögel findet. Eine Vogelart, die dort zu beobachten ist, sind Papageitaucher oder auf Englisch “Puffins”. Wir hätten gern eine Tour gemacht, aber die kürzeste hätte 3 Stunden gedauert und wir waren für die windige See zu dünn angezogen. Wir wollen aber auf jeden Fall zurückkommen – und das nicht nur für die Puffins. Auch der Rest der Gegend hat uns sehr gut gefallen und es gibt dort noch viel zu sehen.

Nach dem einzigen schlechten Essen während des gesamten Urlaubes (Unglaublich, wie geschmacksneutral man Pommes und Cheeseburger hinbekommen kann…) fuhren wir dann weiter Richtung Bamburgh. Die kleine Stadt wird von einer riesigen normannischen Burg dominiert, das wir uns direkt ansehen mussten.

Die Sammlung anzuschauen und den Blick über die umliegenden Dörfer und die See zu genießen hat mehrere Stunden in Anspruch genommen. Hauptsächlich wurden dort uralte Dinge aus dem Fundus des dortigen Adligen, darunter auch viele geschichtlich und geldmäßig wertvolle Dinge. Natürlich hat die Queen auch dort schon mal gegessen und ein Dokument mit ihrer Unterschrift hinterlassen, wie an so vielen Orten in diesem Land. Als Außenstehende kann ich diesen “Kult” nicht wirklich nachvollziehen und manchmal wirkte das Alles auf mich schon befremdlich und seltsam. Es gehört aber zu diesem Land, der Kultur dazu und ist für mich interessant ohne es wirklich zu verstehen.

Mein Schatz war auf jeden Fall angetan von der Burg und wollte auch schon direkt einziehen, da es endlich mal ein “angemessener Wohnsitz” sei. Meine Bedenken, dass die Heizkosten vermutlich wahnsinnig hoch seien, wurden mit dem Argument weggefegt, dass ich dann endlich meine Bibliothek bekommen könne. 😉

Da unser Parkticket abgelaufen war, ging es eher widerwillig zurück zum Auto und weiter über die Dörfer inklusive einiger Irrfahrten nach Berwick. Da das Bed & Breakfast an der Main Street liegen sollte, dachten wir, dass wir es recht leicht ohne Navi finden würden. Pustekuchen! Die Straße fanden wir, aber nicht das Bed & Breakfast.

Nachdem der Schatz schon leicht in Panik geraten war, uns schon im Auto schlafen sah und was davon sagte, dass man Internetbuchungen wohl doch nicht trauen könne und das ja auch Betrug sein könnte (immerhin war dies die einzige Unterkunft, die den gesamten Betrag direkt bei der Buchung von der Kreditkarte abgebucht hatte) hatte ich – ebenfalls leicht nervös – die Buchungsbestätigung noch mal genau studiert. Das Rätsels Lösung war folgende: Ich hatte nach Unterkünften in Berwick gesucht, angezeigt war mir aber wohl eine in Lowick, die ich dann (“Oh, schön günstig!”) gebucht hatte. Daher haben wir uns Berwick leider nicht mehr anschauen können und sind wieder ein Stück zurückgefahren.

Lowick besteht aus gefühlten 10 Häusern, einem Briefkasten und 2 (!) Pubs. Eins der Häuser ist das wirklich liebevoll renovierte Bed & Breakfast, dass von einem älteren Ehepaar geführt wird. Man muss schon Nippes (ich sag nur: Hundeporzellanfiguren) mögen, aber es ist herzlich und schön und überhaupt. Die Zimmer sind nicht nur neu, sondern auch picobello sauber und es gab sogar ein kleines Betthupferl auf den Kissen. Es gab einem ein bisschen das Gefühl von Weihnachten nach Hause zu den (Groß-)Eltern zu fahren, wie aus einem kitschigen Familienfilm. Wirklich schade, dass wir hier nur eine Nacht gebucht hatten. Wir haben aber den Inhabern versprochen wiederzukommen und dann auch länger zu bleiben. – Wir wollen ja mindestens noch mal raus zu den Papageitauchern fahren. 🙂

Nach einer Nacht, die randvoll mit erholsamem Schlaf gefüllt war, wurden wir zum Frühstück wirklich königlich bekocht. Die beiden Inhaber waren dann aber doch enttäuscht, dass wir nur so wenig aßen. (Wenig! Ha, von wegen. 😉 ) Im Nachhinein kann ich ruhigen Gewissens sagen: Hätten wir nur Newcastle übersprungen und wären direkt nach Lowick gefahren! Aber nachher ist man immer schlauer, nicht wahr?

Ein paar Bilder von der Gegend gibt es natürlich auch wieder:

 

Collage Alnwick

Urlaubsimpressionen – Teil 7: Mehr Schein als Sein

Da waren wir also in Newcastle-upon-Tyne. Unser Hotel sah protzig aus, nicht zuletzt wegen der Säulen am Eingang und dem Rolls Royce Phantom vor der Tür. Die Dame an der Rezeption blieb zwar typisch britisch-höflich, aber das wir da mit unseren Jeans und Pulli nicht zwischen den Business-Leute passten, fiel sofort ins Auge. Das Ambiente war gediegen und wir machten, dass wir auf unser Zimmer kamen. Nach dem ersten “Wow-Moment” kam dann aber die Ernüchterung. Das Hotel war so, wie der größte Teil der Stadt: Irgendwann wars mal schön, aber wenn man nichts pflegt und mal renoviert, dann sieht es nach all den Jahren… ranzig aus.

Als wir unsere Urlaubsfotos das erste Mal durchgeschaut haben, waren wir überrascht, wie gut alles doch auf den Fotos von Newcastle ausgesehen hatte. In der Tat sieht man nicht die abgeblätterten Ecken, die Kaugummis, die überall klebten, den Müll der oft herumlag und man riecht auch nicht die vielen Menschen, die sich in allen möglichen Ecken und Winkeln erleichtert hatten. Für uns war es okay, sich die Stadt mal angeschaut zu haben, zumal wir ein wirklich tolles Restaurant gefunden haben, aber noch mal müssen wir nicht dort hin. Positiv sei zu vermerken, dass sich etwas tut. An vielen Ecken wird gebaut und renoviert und der Bereich um die Universität und auch Blackfriars sind echte Oasen der Wohltat in der Stadt. Bezeichnend fanden wir auch, dass in dem Prospekt in unserem Hotelzimmer als größte Attraktion der Stadt das riesige Einkaufszentrum genannt wurde. Und wirklich: Wir haben fast einen ganzen Tag dort zugebracht, aber mehr aus der Not heraus, weil wir sonst schon so ziemlich alles abgeklappert hatten.

Schade eigentlich, aber eine Übernachtung hätten wir uns da mindestens sparen können.

Eine positive Überraschung war der Bereich um Blackfriars, eines alten Klosters, von dem aber nur noch einige Fundamente und ein Wirtschaftsgebäude stehen. Der Innenhof war geradezu idyllisch und man konnte vergessen, dass man sich in einer Großstadt befindet.

Falls es euch also mal irgendwann dorthin verschlagen sollte: Schaut euch das Kloster an und geht unbedingt im Restaurant essen. – Wenn ihr überlegen solltet extra dort hinzufahren: Tut es nicht.

Und wie immer noch ein paar Impressionen. Wie gesagt, auf den Fotos sieht es ganz schön aus, das Wetter hat sicherlich auch einen großen Teil dazu beigetragen.

Collage Newcastle